Selbst ist der Mann - Fotos per Fernauslöser

Von B. Wagner

Wer hat folgende Situation noch nicht erlebt: man hat soeben einen absoluten Traumfisch gelandet, der unbedingt ein Bild (oder einen ganzen Film?) wert ist. Nur ist man mutterseelenallein am Wasser; kein Schwein in Sicht, das die Kamera betätigen könnte. Nicht jeder - auch wenn mein Eindruck mittlerweile ein anderer ist - besitzt ein Handy, um einen "Fotografen" herzuzitieren, oder findet eine Telefonzelle in unmittelbarer Nähe. Und es gibt noch eine Reihe weiterer Gründe, die eine sofortige Ablichtung des Fangs ratsam

erscheinen lassen. Z.B. ist das Einsacken von Fischen an Flüssen und Kanälen mancherorts wegen der Schiffahrt ziemlich problematisch. Bei Grasfischen ist grundsätzlich eine Hälterung zu vermeiden. Also keine Zeit, um auf einen Kumpel zu warten, der eventuell erst noch aus den Federn geholt werden muß oder eine längere Anfahrt zum Wasser hat. Die Lösung all dieser Fälle heißt, und da erzähle ich natürlich nichts neues, Selbst- bzw. Fernauslöser. So gut wie jede Kamera hat eine Selbstauslöserfunktion, mit der man zwar arbeiten kann, aber es ist doch aufgrund der recht kurzen Zeitintervalle, die einem zur Verfügung stehen, um den Fisch zu "präsentieren", eine fummlige Sache und eher ein Notbehelf. Bei weitem besser ist der Einsatz eines Fernauslösers. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, einen Fernauslöser zu betätigen - elektronisch oder pneumatisch. Auch wenn man mit der erstgenannten Variante durchaus zurechtkommen kann, halte ich die pneumatischen Auslöser für besser, da sich dieser sehr einfach und problemlos mit dem Knie betätigen läßt. Leider hat heute kaum noch eine Kamera einen entsprechenden Anschluß. Es bleibt dann nur die Möglichkeit, sich einen Aufsatz zu basteln, der den Einsatz eines pneumatischen Auslösers ermöglicht. Im Fachhandel sagte man mir, daß ein solcher "Adapter" einst hergestellt und noch vor einigen Jahren erhältlich gewesen sein soll, heute aber leider nicht mehr. Auf eine genaue Bauanleitung möchte ich hier verzichten; in der Karpfenscene 4/95 ist eine sehr gute Beschreibung dazu erschienen. Meine eigene Konstruktion sieht weniger professionell aus, aber da kann jeder seine eigene Kreation entwerfen. Hauptsache es funktioniert. Natürlich kann man für die Aufnahmen einen stabilen Bankstick sowie ein entsprechendes Adaptergewinde verwenden, ein kleines Stativ ist jedoch weitaus variabler. Es kann auch bei steinigem oder gefrorenem Boden eingesetzt werden, steht sehr stabil und läßt sich wesentlich genauer justieren. Außerdem ist man nicht auf querformatige Bilder beschränkt. Wer seine Kamera nicht nur zum Ablichten von Fischen benutzt, kann ein Stativ in vielen Situationen gut gebrauchen. Dieses muß nicht unbedingt teuer sein (es gibt halbwegs brauchbare Modelle schon für 50 - 100 DM) und nimmt auch nicht allzu viel Platz weg.


So, jetzt wird´s noch langweiliger für diejenigen, denen gute Bilder nicht so wichtig sind wie mir: eine kurze Anleitung, wie ich in der Regel vorgehe (wenn es schnell gehen muß oder der Fisch nicht gerade ein Knaller ist, überspringe ich mittlerweile einige der Schritte und verlasse mich auf Erfahrungswerte bzw. mein Augenmaß). Für Ungeübte ist es auf jeden Fall wichtig, sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung zu nehmen; dann kann eigentlich nicht viel schiefgehen.

  1. Kamera auf Stativ in Position bringen. Eine Möglichkeit ist es, die Kamera z.B. auf den Zelteingang auszurichten, vor den man sich dann später mit dem Fisch hockt. Auf die Dauer jedoch absolut langweilig, immer den gleichen (öden) Hintergrund auf dem Bild zu haben. Darüberhinaus muß der Sonnenstand berücksichtigt werden, und das Zelt steht natürlich selten passend zur Sonne. Ich suche mir normalerweise einen schönen Flecken Vegetation oder einen netten Blick auf das Wasser als Hintergrund und stecke mir zunächst zwei Banksticks zur groben Orientierung (Abstand etwa Länge des Fisches) in den Boden, an denen ich die Kamera ausrichten kann. Etwas Platz links und rechts der Banksticks lassen, weil man den Fisch kaum exakt mittig halten kann. Hat man keinen Autofocus zur Verfügung, muß ein dritter Bankstick in der Mitte zur Scharfeinstellung dienen. Vor allem bei flach stehender Sonne (früh morgens/spät abends) sollte man darauf achten, daß der Schatten von Kamera und Stativ nicht in den "Zielbereich" fällt.
  2. Brennweite wählen. Empfehlenswert ist eine Brennweite von etwa 35mm, bei "stabiler" gebauten Personen sind 28 -35mm anzuraten, damit der Fisch ausreichend zur Geltung kommt. Ist man eher schmächtig, können aber schon bei 35mm auch Durchschnittsfische aussehen wie Mutanten; in diesem Fall sind 35 - 50mm Brennweite die bessere Wahl, um ein natürlich wirkendes Ergebnis zu erzielen. Wenn man will, kann man sich die gewählte Brennweite sowie den Abstand zwischen Kamera und Fisch aufschreiben und, sollten sich die Bilder oder Dias später als gelungen erweisen, in späteren Fällen alles genauso einstellen und die einst gemessene Entfernung am Boden abstecken.
  3. Feinausrichtung der Kamera. Ganz wichtig und eine beliebte Fehlerquelle ist die Höhenjustierung. Bei querformatigen Bildern kann es schnell passieren, daß entweder der eigene Kopf oder die untere Hälfte des Karpfens abgesägt werden. Um dies zu vermeiden, sollte man nicht nur auf den Abstand der Banksticks, sondern auch deren Höhe bei der Ausrichtung der Kamera achten.
  4. Abhakmatte mittig vor der Kamera so positionieren und eventuell (wenn möglich) mit Häringen am Boden fixieren, daß die Mattenhinterkante (von der Kamera aus betrachtet) an den Banksticks anliegt. So kann man sich bequem hinter die Matte hocken, und bekommt, sofern der Untergrund trocken ist, keine nassen Knie. Außerdem ist damit bei der Verwendung von pneumatischen Fernauslösern ein problemloses Betätigen möglich. Bei schlammigem Untergrund ist es hilfreich, den "Gummiball" auf eine feste Unterlage (kleines Brettchen o.ä.) zu legen. Den Schlauch des Auslösers verlege ich unter der Matte, damit er nicht stört und auf dem Bild nicht zu sehen ist.
  5. Banksticks entfernen. Somit sind die Vorbereitungen abgeschlossen. Zum Fotografieren wird der mit dem Rücken zum Angler liegende Karpfen vorsichtig aufgenommen und, sofern sich der Fisch dabei ruhig verhält, zu sich herangezogen und dann über der Kante der Abhakmatte präsentiert. Nun mit dem Knie die Aufnahme auslösen. Sollte der Fisch doch anfangen zu schlagen, braucht man sich nur leicht nach vorne überkippen zu lassen und kann ihn problem- und gefahrlos wieder auf der Matte ablegen, bis er sich beruhigt hat. Damit der Karpfen gut zur Geltung kommt, sollte man sich möglichst klein machen. Auch mal die "Stellung" variieren, damit nicht alle Bilder gleich aussehen. Und, wichtig: Fisch immer gut naß halten, also einen Eimer mit Wasser bereithalten.

Wie bei so vielen Dingen macht auch in diesem Fall Übung den Meister, was für den "technischen" Aspekt gilt, aber genauso für die Art und Weise, wie man den Fisch bei den Aufnahmen vorteilhaft hält. Also ruhig mal an kleineren Fischen üben, damit man, wenn es wirklich darauf ankommt, keine Fehler macht. Und hat man erst mal ein wenig Erfahrung gesammelt, kann es durchaus Spaß machen, auch höhere Schwierigkeitsgrade in Angriff zu nehmen. Im Falle des Schuppis, bei dem ich im Wasser

hocke, war der pneumatische Auslöser kaum zu gebrauchen, daher machte ich das Bild nicht mit Fern- sondern mit Selbstauslöser. Der Fisch lag während der Pausen des Fotografiervorgangs auf der im Wasser schwimmenden Cipromatte. Eine alte Pose, kurz unter der Wasseroberfläche verankert, markierte die Stelle, über die ich den Karpfen zu halten hatte und auf welche ich die Kamera vorher mittels eines Banksticks ausgerichtet und scharfgestellt hatte. Bei einiger Übung ist es wirklich die weitaus bessere Alternative, selbst die Sache in die Hand zu nehmen, als irgendeinem dahergelaufenen Spaziergänger oder Potti die Kamera in die Hand zu drücken und zu sagen "mach mal". Selbst bei scheinbar idiotensicheren Modellen, wo die Automatik alles regelt und man kaum etwas falsch machen kann, kommt es manchmal zu erstaunlich mißratenen Resultaten. Ich denke, jeder hat sich schon einmal über derartige "Werke" von ungeübten Fotografen geärgert. Also im Zweifelsfall: Do it yourself! b.w.

 

 

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