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Weihnachten am Kanal!

Von Peter Wächter

Nach der Kälteperiode Ende November bis Mitte Dezember folgte 1998 ein Wetterumschwung, der 12°C Lufttemperatur durch starken, teils stürmischen Wind aus südwestlicher Richtung mit sich brachte. Folglich dermaßen mild, daß die Wassertemperatur auf über 4°C gestiegen war. Schnell wurde mir klar, daß ich meine eingeplante Winterpause keinesfalls einhalten konnte! Der warme Wind stand nun schon viele Tage aus einer konstanten Richtung auf das Ostufer unseres Stichkanals und quirlte das erwärmte Oberflächenwasser unter die kalte Winterwassermasse, also ähnlich wie zum Frühjahrsbeginn wo man annehmen könnte,

Der Autor bei einem seiner Ansitze!
Peter Wächter

daß die Fische auch dem Winterschlaf erwachen, und ihren Hunger erst wieder richtig wahrnehmen. Also fuhr ich am 24. Dezember einige Erfolgversprechende Stellen am "Stichkanal" an, um sie mir anzusehen, und stellte fest, daß ich nicht der Einzige war, der die aktuellen Wetterbedingungen als äußerst günstig einschätzte, um auf Karpfen zu fischen. David, ein "alter Bekannter" aus der hiesigen Szene fischte an einem altbekannten Hot Spot, ein Stück Kanalstrecke zwischen einem Wendebecken und einem Boots- und Jachthafen. Leider ist auch im Winter, obwohl keine Boote mehr an den Stegen anliegen, das Fischen grundsätzlich verboten, eine völlig lächerlich erscheinende Anordnung!! So machten wir es uns bequem, um ein wenig Fachsimpeln, doch nach der zweiten Kippe piepte es erst behaglich, dann aber konsequent. Davids rechter Optanic. Der Anschlag saß, der Fisch reagierte langsam aber kraftvoll.
Nach einigen Minuten wogen wir im Winter nachmittags am Heiligen Abend, wo in Deutschland vermutlich ca. 500.000 Weihnachtskarpfen verspeist wurden, einen Spiegelkarpfen von 22 Pfund. Bei dem wir beim Zurücksetzen ein besonderes Gefühl von Hochmut verspürten, in Gedanken an das Datum.
Im Zelt zurück, war mein Interesse nun mehr als geweckt, und ich fragte David über den Verlauf der letzten Nacht aus. Je mehr er mir erzählte, desto mehr ärgerte ich mich, nicht selber fischen gegangen zu sein, denn daß David in einer Winternacht, ohne zu füttern, acht Runs hatte konnte ich nicht fassen. Davon konnte er aber leider nur sechs Fische fangen. Diese wogen jedoch 12; 13; 13 ½; 15,200; 17 und 22 Pfund.

Der 22er Spiegler von David (24.12.98)
Der 22er Spiegler von David (24.12.98)

Im "Kennerkreis" ist dies wahrscheinlich "nervige Zeitberaubung", bei uns aber keineswegs alltäglich. Ich muß dazu sagen, daß unser Durchschnittsgewicht bei ca.14 Pfund liegt. Einem Fisch über 20 Pfund kann man schon dem Schuppenkleid ansehen, daß er einen "steinalten" Eindruck macht.
Die einwandfreien Proportionen ( Höhe, Länge, Gewicht und Flossen ) und etliche Wiederfänge können diesen Eindruck nur bestätigen. Zurück zu meinem Ärger, doch der war schnell verflogen, da David mir in Hinsicht auf mein Interesse anbot die folgende Nacht an seinem Spot zu fischen! Jetzt war bei mir alles zu spät!

Wie weggehaucht schien mir meine Fähigkeit einen klaren Gedanken zu fassen – ausgeschlossen das Thema Carphunting natürlich! Nach dem üppigen Mittagessen am 1. Weihnachtstag befand ich mich erst gegen 15.00 Uhr langsam wieder in der Lage, mich in Bewegung zu setzen und am Wasser mein Revier aufzuschlagen.
Gegen 16.30 Uhr war der Akt vollbracht und das Camp stand.
Während ich noch einige Boilies fütterte erschien David, der nun alles geben mußte da es in ca. 20 Minuten Dunkel wurde. Gegen 21.00 Uhr, nach ca. 6 Bier und 2 "Konischen" entschloß ich mich in den Schlafsack zu schlüpfen da wir immer noch keinen Run hatten.
Doch plötzlich irgendwann spät in der Nacht:
Optonickreischen, Licht an, Raus aus dem Schlafsack, Schuhe an, Klarkommen, Fische fangen ??? Nachdem ich endlich, nach einer kleinen Ewigkeit, kapierte was los war stand David schon an der Angel und war am drillen. Wie auch in jeder Nacht zuvor regnete es, jedoch in dieser herrschte ein starker Wind – nahe einem Orkan!
Davids Daiwarute krümmte sich bis ins Rückrad, der Baitrunner gab ständig Schnur frei.
Nach ca. 15 Min. gab sich der Gegner geschlagen, doch vor dem Kescher flüchtete er erneut für ungefähr 5 Minuten, um sich dann beim zweiten Kescherversuch endgültig geschlagen zu geben. Oder etwa doch nicht?

Der Gute war zwar im Kescher, doch er schien noch einen zweiten Trumpf im Ärmel zu haben – sein Gewicht- denn ich hatte gut zu hieven, bis ich ihn auf der Matte liegen hatte. David hatte schon die Waage und den Wiegesack bereitgelegt. Das Gewicht des Fisches schätzte er vorab schon auf ca. 25 Pfund. Ich war mir jedoch sicher, daß "Kuno" über 30 Pfund wog, da ich noch keinen größeren Karpfen gesehen hatte, jedoch selbst schon bis 28 Pfund gefangen habe. Mit dieser Schätzung liege ich richtig, denn wir wiegen mit 16 Kilo Davids neuen Personal Best, der seinen Vorgänger um 2,5 Pfd. übertroffen hat.

David´s 32er Schuppi
David´s 32er Schuppi

Dieser 32er ist Davids erster 30 ´er in Deutschland nach 11 Jahren Karpfenfischen, somit also redlich verdient! Folglich dreht David durch und checkt in der nächsten halben Stunde ca.10 mal den Karpfsack ab. In den nächsten 2 Stunden fängt er noch einen 6er und einen 12er, bevor ihm Schlaf gegönnt wird.
5.20 Uhr:
Ich stehe aufrecht im Camp, meine Sounderbox kreischt ohrenbetäubend. Ich stürme raus, setze den Anhieb, der Fisch wehrt sich stark. David der schon neben mir steht, will wissen ob es ein großer Fisch ist, am besten mit genauer Gewichtsangabe!
Ich tippe auf über 20 Pfund, da er wirklich stark kämpft, was im Winter aufgrund der geringen Wasser/Körpertemperatur nicht üblich ist. Um so erstaunter war ich beim wiegen, wo sich der Fisch als "nur" 18 Pfünder entpuppte.
Nun wo auch ich einen Fisch fangen konnte bin ich mir sicher, daß das Einschlafen einem so deutlich leichter fällt!
Zum Glück ist der Schlaf nicht von langer Dauer, denn genau um 6.40 Uhr wird er unterbrochen.  David hatte seinen nächsten Run. Mir wurde jetzt klar, daß die Karpfen aus dem Yachthafen  in Richtung Wendebecken zogen, und David sie sozusagen "abfing", bevor sie meine weiter links liegenden Köder fressen konnten. Dies stellt meines Erachtens in Kanälen ein allgemein übliches Problem dar, bis auf wenige Ausnahmen wie mir meine Erfahrung zeigte.

David mit einem 26er Spiegler
David mit einem 26er Spiegler

Der Fisch gibt nach 10 Minuten Drill auf und bringt beim Wiegen stolze 26 Pfund und 350 Gramm auf die Waage. Wir beide sind erstaunt über die hohen Gewichte der Fische, da in diesem Gewässer ein 20 Pfünder eine geachtete Seltenheit darstellt. Eine Viertelstunde nach dem einsacken der nächste Run, wieder an Davids Ruten. Doch diesen verliert er kurz nach dem Anhieb. Gegen 10.00 Uhr fing David noch einen 16er, und bis zur Mittagszeit verzeichneten wir noch einen Fallbiss und einen Schlitzer. Nach einer ausgiebigen Fotosession setzen wir natürlich alle Fische zurück und beschlossen dieses schöne und seltene Wintererlebnis in einen Bericht zu verfassen.

Der auf keinen Fall aussagen soll: "So fängst Du einen Winter30 ´er!"  (Ich fing auch noch keinen) Ich meine das man in fast jedem Gewässer, zu jeder Jahreszeit, unter allen Wettereinflüssen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort fischen muß um den großen Erfolg verzeichnen zu können. Was also zwanghaft mit sich bringt viele Stunden am Wasser zu verbringen und nicht auf der Couch sitzend  über den letzten Blank zu jammern.
Auch Gründe wie Wetterumschwünge oder zu kalte Temperaturen sollte man nicht als Vorwand nutzen um das fischen ausfallen zu lassen!
Oder wie andere Angler die sich als Helden bezeichnen, weil sie zehn 30er gefangen haben, aber 2 Wochen vor ihrer Angeltour einen Baitcrack aus dem Osnabrücker Landkreis anrufen, um ihren Spot täglich mit einer Curverwanne voll Futter berieseln zu lassen. Anschließend werben diese auch  noch mit ihren meisterlichen Können und vermitteln so tausenden Junganglern fälschliche Ziele. Diese zweifeln letztendlich an  ihrer eigenen Taktik, ihrer Technik und ihren Ködern. Letztendlich  kaufen sie die Baits der "Helden", um ihren Optimismus zurückzugewinnen.
Oder wer kennt sie nicht, Leute die von 40 Pfündern träumen, aber nur fünf mal im Jahr in irgendwelchen "Parkteichen" angeln. An diesen Teichen können sie aber nur Fische bis 15 Pfund fangen. Anschließend sind sie enttäuscht, weil sie sich an Dieter Martens 54 Pfd. Riesen messen der aus einem 250-350 ha großen Stausee gezogen wurde.
Oder noch andere die nur an autozugänglichen Stellen fischen, dort drei Stunden nach dem Aufbauen schlafen, und wenn sie wach werden und sich über den Mißerfolg ärgern zusammenpacken, um noch schnell einen Mc Donald´s Burger käuflich zu erwerben.

Was wir Euch also ans Herz legen wollen ist: setzt Eure Ziele in gewässerangemessenen Relationen und versucht die Erfolge durch Zeiteinsatz und Interesse zu erzielen, nicht durch übertriebene Futtermenge und tausende teure Duftwässerchen!

Letzteres soll nicht heißen, daß ich nicht anfüttere! Ich füttere an Stellen die ich vorher studiert und beobachtet habe. Die Futtermenge wird von mir in einer für das Gewässer angemessenen Menge dosiert. Ich denke daß man auf diesem Wege lernt sich auch über einen 18 Pfünder zu freuen, wenn das Durchschnittsgewicht  bei z.B. 14 Pfund liegt!

Viel Spaß beim nächsten Run!

 

Peter Wächter

 

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