Karpfenrassen

Von Robert Arlinghaus

Zeilkarpfen, Lederkarpfen, Schuppie, Spiegler oder doch ein Fully scaled? Jeder hat schon einmal einen Karpfen gefangen, der zu den gerade genannten Karpfenrassen gehören soll. Jeder weiß auch mit Bestimmtheit zu sagen, daß der schuppenlose Fisch auf der Abhakmatte ein Nacktkarpfen ist. Oder etwa doch nicht? Daß die Zuordnung nicht so einfach ist, wie es den Anschein hat, möchte ich kurz darstellen. Doch zuerst möchte ich kurz auf die Karpfenrassen eingehen. Vom Wildkarpfen (Cyprinus carpio) stammen folgende Unterarten ab:

  • europäisch - transkaukasischer Karpfen
  • mittelasiatischer Karpfen
  • fernöstlicher Karpfen
  • nordvietnamesicher Karpfen
  • indonesischer Karpfen

Diese Unterarten unterscheiden sich durch fließende Übergänge in äußeren Merkmalen (Rückenflosse, Wirbelzahl, Kiemenreusendornen, Augendurchmesser, Batellänge). Unser heutiger Karpfen ist aus dem Wildkarpfen gezüchtet worden. Der Mensch veränderte die Lebensbedingungen und beeinflußte entscheidend die Selektion und Fortpflanzung. Der Karpfen wurde gedrungener, die Beschuppung geringer. Der Karpfen wurde zum Haustier. In der Karpfenzucht hat es nie Zuchtbücher oder Zuchtvorschriften gegeben, wie z.B. in der Rinderzucht. Die planmäßige überörtliche Zuchtarbeit kam nie über die Anfänge hinaus. Es war immer eine Zucht einzelner Teichwirte. Dadurch kam es zur Herausbildung äußerlich unterscheidbarer Fische. Hofer versuchte schon 1898 die Karpfen in Rassen einzuteilen. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal war dabei die Körperform. Es wurde zwischen hochrückigen Kulturrassen und langgestreckten primitiven oder degenerierten Rassen unterschieden. Noch heute sagen bestimmte Teichwirte, das genetische Material von hochrückigen Fischen sei besser. Dies ist falsch. Hochrückigkeit ist kein Anzeichen von gutem Erbgut, sondern weist lediglich auf gute Ernährungsbedingungen oder günstige Lebensumstände hin. In den Jahren um 1920 wurde von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft versucht, Ordnung in die Rassenproblematik zu bringen. Es wurden vier Rassen gefordert: Aischgründer Karpfen, Galizischer Karpfen, Lausitzer Karpfen, Fränkischer Karpfen. Die einzelnen Karpfen hatten ein bestimmtes Längen/Höhen Verhältnis als Zielstellung, weiterhin eine besondere Beschuppung. Diese Rasseneinteilung hat sich als unhaltbar erwiesen, da die Körperform sehr plastisch und variabel ist und die Vererbung der Beschuppung Reinzuchten des Zeil - und Lederkarpfens unmöglich macht. In den Zuchtbetrieben wurden gutwüchsige Fische anderer Betriebe mit den eigenen vermischt. Weiterhin sind pro Betrieb wenige Laichfische ausreichend. Die Karpfen paßten sich den örtlichen Bedingungen an. Es entstand der Begriff Karpfenstamm. Er bezeichnet eine Zuchtform, die durch natürliche und künstliche Selektion an die Bedingungen in einem Zuchtbetrieb besonders gut angepaßt sind. Die Karpfen in Mitteleuropa gehören einer Karpfenrasse an, die in verschiedene Stämme aufgeteilt ist. Es gibt nur eine Karpfenrasse. Selbstverständlich gibt es gut und schlechterwüchsige Karpfenstämme, aber es hat sich gezeigt, daß fast alle Karpfen ähnlich gute Wachstumsleistungen besitzen, da das Merkmal Wachstum zwar genetisch ist, aber auch sehr viel von einer optimalen Umwelt abhängt. Setze verschiedene Karpfenstämme in einen nahrungsreichen See und Ihr werdet sehen! Weitere Unklarheiten bestehen unter den Karpfenanglern, was die unterschiedlichen Beschuppungstypen von Karpfen angeht. Man unterscheidet grob gesagt folgende Typen:

  • vollbeschuppte Karpfen - Schuppenkarpfen
  • im allgemeinen (nicht immer) mit einer gleichmäßigen Schuppenzeile entlang de Seitenlinie besetzte Karpfen- Zeilkarpfen
  • nahezu (auch mit Schuppen) unbeschuppte Karpfen - Nackt - oder Lederkarpfen
  • mit wenig Schuppen bedeckte Karpfen - Spiegelkarpfen

Alle Übergänge sind möglich. Man kann anhand des Schuppenbildes nie sagen, ob es sich um einen bestimmten Beschuppungstyp handelt (Ausnahme Schuppenkarpfen). Die Beschuppung hängt von mehreren Faktoren ab. Schuppen können auch nachwachsen. Die Spannbreite der Spiegelbeschuppung ist so groß, daß sie an die Beschuppung von Schuppenkarpfen und auch von Zeilkarpfen oder Nacktkarpfen heranreichen kann. Auch beim Zeilkarpfen gibt es Beschuppungstypen, die dem Schuppenkarpfen und dem Spiegelkarpfen nahekommen. Man kann nur erkennen, ob ein bestimmter Fisch einem Beschuppunngstyp (Ausnahme Schuppenkarpfen) zugehörig ist, indem man Kreuzungsversuche durchführt (für uns Angler nicht machbar). Die Beschuppung vererbt sich mit zwei Genen S und N (Mendelsche Gesetze, dominant, rezessiv) mit je einem Allel (Genort). Vielleicht wird es jetzt ein wenig kompliziert. Aber schaut doch mal in einem alten Biologie Buch nach. Folgende Genkombinationen sind möglich. Schuppenkarpfen: SSnn oder Ssnn Zeilkarpfen: SSNn oder SsNn (SSNN und SsNN sind auch möglich, die Kombination NN ist jedoch nicht lebensfähig) Nacktkarpfen: ssNn (ssNN auch möglich, nicht lebensfähig) Spiegelkarpfen: ssnn Große Buchstaben dominant, kleine rezessiv. Der ursprüngliche Karpfen war der Schuppenkarpfen. Im Laufe der Domestikation zum Haustier wurden zwei Mutationen entdeckt. Die Mutation von S zu s (Spiegelkarpfen ist der Erfolg) und die Mutation von n zu N (Zeilkarpfen). Die Kombination beider Mutationen erbrachte den Nacktkarpfen. Karpfen mit den Kombinationen SSNN, SsNN und ssNN sind nicht lebensfähig. Hier erkennt man sofort den Nachteil der Kreuzung von Nacktkarpfen mit Zeilkarpfen oder von Nacktkarpfen mit Nacktkarpfen. Es entstehen nämlich zu 25 % Tiere, die das Erbgut NN haben und nicht lebensfähig sind. Die anderen spalten in alle Beschuppungstypen auf. Beispiel Kreuzung Nacktkarpfen ssNn mit Zeilkarpfen SSNn ssNn x SsNn SN Sn sN sn sn SsNn Ssnn ssNn ssnn sN SsNN SsNn ssNN ssNn Ergebnis: 1/8 sind Spiegelkarpfen (ssnn), 1 /4 nicht lebensfähig (SsNn, ssNN), 1/4 Nacktkarpfen (ssNn), 1/8 Schuppenkarpfen (Ssnn), 1/4 Zeilkarpfen (SsNn). Daher wurden diese Beschuppungstypen auch nicht mehr gezüchtet, denn wer kann sich 25 % Verluste erlauben? Eine Besonderheit gibt es zu den Schuppenkarpfen zu sagen. Es gibt reinerbige (SSnn) und mischerbige Schuppies (Ssnn). Kreuzt man mischerbige Schuppenkarpfen miteinander, so entstehen 25 % reinerbige Schuppenkarpfen, 50 % mischerbige und 25 % Spiegelkarpfen (wer hätte das gedacht). So kann man also prüfen, ob sein Schuppenkarpfenbestand misch - oder reinerbig ist. Paarung von reinerbigen Schuppenkarpfen ergibt zu 100 % reinerbige Schuppies, genau wie die Paarung von Spiegelkarpfen zu 100 % Spiegelkarpfen hervorbringt, die aber sehr variable Schuppenbilder ausbilden können. Es besteht allgemein die Tendenz, in den Ausgangstyp Schuppenkarpfen zurückzufallen. Man kann also sagen:Es ist nicht möglich, anhand des Schuppenbildes auf besondere Beschuppungsformen wie z.B. Lederkarpfen zu schließen. Es ist sogar wahrscheinlich, daß unsere gefangenen vom Schuppie abweichenden Karpfen alles Spiegelkarpfen mit besonderem Schuppenbild sind. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Zeil - und Lederkarpfen gezüchtet werden, da es nicht wirtschaftlich ist. Es gibt aber noch einige Unterschiede zwischen den Beschuppungsformen. Das Wachstum von Zeil- und Lederkarpfen ist bedeutend schlechter als das von Spiegel- und Schuppenkarpfen, welches annähernd gleich ist. Die Verluste im ersten Lebensjahr sind bei Zeil - und Lederkarpfen höher. Gleichzeitig mit dem Schuppenverlust erfolgt eine Reduktion anderer Hartgebilde im Karpfenorganismus.

Nacktkarpfen haben fast stets eine defekte Rückenflosse, der einzelne oder zahlreiche Flossenstrahlen fehlen (bei Zeilkarpfen nicht ganz so ausgeprägt). Auch die Afterflosse ist häufig verkümmert. Ganz ähnlich verhält es sich mit Anomalien der Zahl der Kiemendornen (Reusenzähne) und der Kiemenblättchen. Sie ist bei Zeil - und Nacktkarpfen verringert, betrifft aber alle vier Kiemenbögen gleichmäßig. . Diese Fische sind also anfälliger für niedrige Sauerstoffgehalte. Es ist aber falsch, daß den Lederkarpfen ein Kiemenbogen fehlt, wie häufig zu lesen war. Auch besitzen die Leder - und Zeilkarpfen weniger Schlundzähne als der Schuppen und Spiegelkarpfen. Daneben ist die Regenerationsfähigkeit von abgeschnittenen bei Schuppen und Spiegelkarpfen besser ist als von Zeil - und Lederkarpfen. Wir sehen also, die Schuppenkarpfen sind am robustesten und schnellwüchsigsten, dicht gefolgt von den Spiegelkarpfen. Die Zeil - und Nacktkarpfen haben dem nichts entgegenzubieten und haben starke Konkurrenznachteile.

 

Ich hoffe, alle Klarheiten beseitigt zu haben. Fragen könnt ihr mir per eMail stellen. Damit Ihr Euch vom Wahrheitsgehalt der Zeilen überzeugen könnt, hier noch Literaturangaben, aus denen ich obiges abgeleitet habe.
STEFFENS, W. (1980): Der Karpfen, A. Ziemsen Verlag, Wittenberg
SCHÄPERCLAUS, W., v. LUKOWICZ, M. (1998): Lehrbuch der Teichwirtschaft, Parey Buchverlag, Berlin

 

Berichte-AuswahlSeitenanfang

 

Copyright © 1998 by carp.de All rights reserved. webmaster@carp.de