Ein Angeltrip nach Polen -
oder wie wir es nannten: "Expedition ins Tierreich"

Von Michael Schramm

Im August `98 entschlossen wir uns, wir, das sind Frank, meine Freundin Silke und ich, einen 14-tägigen Karpfenangelurlaub in Polen zu verbringen. Aber fangen wir doch einfach mal ganz von vorne an: Einer meiner Arbeitskollegen (Andreas), selbst polnischer Landsmann, aber kein Angler, bekam ein Gespräch zwischen mir und einigen anderen Anglern mit. In diesem Gespräch ging es, wie auch anders, um das Karpfenangeln und den Aufbruch zu neuen Ufern, sprich die

Lokation neuer, vielversprechender Gewässer. Interessiert mischte er sich in das Gespräch ein und fragte natürlich sofort um was es denn eigentlich gehe. Wir erwiderten, daß wir auf der Suche nach neuen, am besten jungfräulichen Gewässern für die Karpfen- angelei waren! Durch unser Gespräch erst einmal so richtig angespornt, berichtete Andreas von zahlreichen Seen aus seiner Heimat, sprich Polen. Alle von ihm genannten Gewässer waren uns absolut unbekannt und um ehrlich zu sein, wurden wir so langsam recht neugierig, zumal er von großen Fischen, auch Karpfen, berichtete, die seine polnischen Freunde so zahlreich gefangen haben sollen. Nach endlos langen Gesprächen und vielen gemeinsamen Abenden, stand für uns, nach anfänglicher Skepsis, also nun doch ein Trip nach Polen fest. Wir hatten uns für einen See entschieden, der nahe der Stadt Zywiecz liegt, genauer gesagt direkt bei dem kleinen Örtchen Tresna-Mala. Dieser See war selbst auf normalen Straßenkarten gut zu erkennen, er mußte also schon eine ansehnliche Größe haben. Andreas berichtete noch, daß er direkt an diesem See ein Häuschen mit zugehöriger "Kneipe" und Biergarten sein Eigen nennt (welch Zufall!!!)! Jetzt ging der Streß erstmal richtig los! Was wird uns erwarten, was einpacken, sind irgendwelche Verbote vorhanden, wo gibt´s Angelkarten, spricht man Deutsch und wenn nicht, wer kann uns dort unten weiterhelfen. Nicht zuletzt haben wir natürlich versucht, genauere Angaben über den Karpfenbestand des Sees zu erhalten, aber allen Anstrengungen zum trotz, bekamen wir nur ganz , ganz spärliche Infos. Wenigstens hatten wir eine Anlaufstelle, nämlich die Kneipe von Andreas und von dort aus wurde uns auch zugesichert, daß bei unserer Ankunft jemand da ist, der uns beim Erwerb der Angelscheine behilflich ist. Diese müssen nämlich in Polen, mit einem riesigen Bramborium verbunden und unter Vorlage eines gültigen Reisepasses bei behördlicher Stelle gekauft werden. Der Abreisetermin rückte so langsam immer näher und am 22.08. machten wir uns abends mit einer gehörigen Portion Ungewißheit im Gepäck auf den Weg. Schon die Fahrt dorthin, je näher man der polnischen Grenze kam, war und dies ist nicht anders für mich zu beschreiben, die reinste Tortour! Da waren erstmal die 523 Baustellen der A2 noch in Deutschland, Staus ohne Ende, Straßenzustands- verhältnisse wie sie kurz nach dem zweiten Weltkrieg nicht hätten schlimmer sein können und dies, wohlgemerkt, noch alles in Deutschland (Ostdeutschland im Bereich um Cottbus). Dann kam die Grenze, wieder Stau hoch 12 und endlich rübergefahren war dann da noch diese Geldwechsel- stelle, wie sie an jeder Grenze existiert, die eigentlich, im Nachhinein betrachtet, schon die erste Krönung für mein Mißempfinden war. Die Wechselstelle betreten, bot sich mir folgender Anblick: Es waren insgesamt zwei Geldwechselschalter vorhanden, welche nur durch eine dünne Sperrholzwand von- einander getrennt waren. Im rechten Schalter saß eine junge Frau mit dem Kopf an die Sperrholzwand gelehnt und hat, ihr werdet es nicht glauben, laut schnarchend vor sich hingepennt Im linken Schalter saß ein Mann mittleren Alters, 2-Wochen-Bart, ungepflegt und eine Allolol-Fahne, die mir echt justament eine grüne Gesichtsfarbe verlieh. Diesen Schalterbeamten nach dem aktuellen Umtauschkurs gefragt bekam ich die Antwort, ob ich denn nicht lesen könne, denn die Kurse würden ja aushängen, aber es war kein Aushang zu sehen, als ich mich umsah. Mürrisch und eher gestikulierend als sprechend (lallend) schickte er mich noch einmal nach draußen, denn dort würden ja immer die aktuellen Tageskurse auf einer Tafel vermerkt sein! Mich vor der Tür umsehend, fand ich dann auch tatsächlich eine Tafel, nur war diese leer, wahrscheinlich war da mal irgendwann etwas mit Schulkreide draufgekleistert und hatte den ersten Regen nicht so ganz überstanden. Ich also wieder rein, ihm 500,-- DM auf die Schublade gelegt, er mir das Geld (die Lappen) gegeben und irgendeinen handgeschriebenen Zettel, der wohl die Umtauschabrechnung darstellen sollte. Ob man mich damals beschi.... hatte, weiß ich bis heute nicht, ist mir aber mittlerweile auch recht latte, denn es sollte noch viel besser kommen! Nun denn, zurück ins Auto und mit einem unguten Gefühl, ausgelöst durch mein erstes zwischenmenschliches Erlebnis auf polnischem Boden, weiter Richtung besagtem See. Ach ja, bevor ich es vergesse und nur hier ganz kurz anreiße, die Straßen, - auf den Punkt gebracht: Materialmordend - mehr nicht, müßt ihr mal selbst erlebt haben. Das erste Etappenziel hatten wir uns für die Stadt Oppeln (Opole) gesetzt, zumal unsere Straßenkarte, die schon nicht mehr so ganz aktuell war (3 Jahre alt), uns bis dorthin eine gut ausgebaute Autobahn suggerierte. Denkste Autobahn, vielleicht die ersten 100 km wie gewohnt zweispurig für jede Fahrtrichtung aber mit Gran-Canyons dazwischen, dann nur noch einseitig befahrbar mit Gegenverkehr und einem heillosen Chaos aus Baustellenfahrzeugen (die Autobahn wurde nämlich gerade erst gebaut, obwohl sie nach 3 Jahre alter Karte bereits existierte........u.s.w.), rekordverdächtigen Überholaktionen von 40-tonnern und noch schnelleren Verrückten in PKW´s und dies alles auf nahezu etwas besseren Feldwegen (vielmehr war nämlich nicht mehr von der ursprünglichen Fahrbahn übrig)! Die errechnete Fahrtzeit bis Zielankunft konnten wir uns schon hier abschminken, es war einfach nur Chaos überall und so langsam setzten auch die ersten Ermüdungserscheinungen bei uns ein. Dazu kam noch die Beschilderung, bis Oppeln war diese ja noch erträglich, aber ab Oppeln, wo übrigens auf einmal die "vermeintliche Autobahn" abrupt zu Ende war und wir mitten durch dieses Großstadt mußten, war das Chaos nahezu perfekt, zumal dort auch gebaut wurde und ich weiß nicht, 100 Umleitungen existierten. Nur durch einen dummen Zufall fanden wir hier schnell wieder raus, sprich durch und konnten unsere Fahrt Richtung Gleiwitz fortsetzen, auf Landstraßen oder wie man die nennen will, natürlich. In Gleiwitz angekommen, ich mag es kaum noch aussprechen, erlebten wir das 120-prozentige Chaos. Keine Schilder, keiner der uns weiterhelfen konnte, weil nicht deutschsprachig oder vielleicht auch nur nicht willig! Nachdem wir ca. 1,5 Stunden in Gleiwitz rumkurvten und ungefähr 7 oder 8 Ehrenrunden drehten, half mal wieder Gevatter Zufall. An einer Tankstelle sprach ich einen jungen Mann an, der, man kann es gar nicht glauben, Deutsch sprach. Er sagte uns, daß es keine Hinweisschilder gibt, hier bei uns, ich zitiere, "Fahre man nach Gefühl"! Etwas niedergeschlagen und auch nicht viel schlauer setzten wir unsere Fahrt in die grobe Richtung, die uns der junge Mann genannt hatte, fort. Und endlich, nach einer weiteren Ehrenrunde fanden wir dann doch noch unsere "Einflugschneise". Leider kamen wir aber immer langsamer voran, da es sich jetzt wirklich nur noch um "landschaftlich schöne Straßen" handelte. Nach uns endlos erscheinenden Stunden kamen wir am Sonntag, spät nachmittags, an unserem Zielgewässer an, d.h. erstmal gar nicht am Gewässer, sondern in Andreas Kneipe. Von der Fahrerei total genervt und geschafft, setzten wir uns zuerst mal in den Biergarten und was soll ich sagen, nach zwei Bier und dazugehörigem Wodka gingen mir endgültig die Lampen aus. Noch schlimmer war es nur bei Frank, er war so sauer von der ganzen quälenden Fahrerei, daß er mit einem anderen Gast ein Frustwettsaufen begann und wie ihr Euch sicher schon denken könnt, hat er haushoch verloren, zumal er zu Hause so gut wie überhaupt keinen Alkohol trinkt. Damit war für ihn die erste Nacht und der nächste Morgen schonmal gelaufen, denn wir fanden ihn, nachdem er auf einmal verschwunden war, ca. 3 Stunden später am See, noch voll strunkelig.

Den Frustrausch ausgeschlafen, ging es am Montag darum, Angelkarten zu organisieren. Hierbei waren uns zwei Gäste der Kneipe, die wir am Vortag kennengelernt hatten, sehr behilflich. Nachmittags lagen die Karten auf dem Tisch, wir brauchten uns nicht einmal selbst darum zu kümmern! Nun konnte es endlich losgehen. Zuerst erkundeten wir das ganze Gewässer, das sich als Stausee herausstellte und seit ca. 35 - 40 Jahren existierte. Nach langem Suchen entschieden wir uns für eine Stelle in einer großen Bucht, auf der gegenüberliegenden Seite der Staumauer, zumal dort noch ein paar einheimische Angler saßen, die es wohl auf Weißfische abgesehen hatten. Frank fing damit an, sein Camp aufzubauen, während wir beide noch kleine Einkäufe zu tätigen hatten, um unseren Lebensmittelvorrat wieder aufzufüllen. Dies stellte sich erneut als ein Problem dar, weil nicht alles überall zu bekommen ist. Die Einkaufsaktion dauerte schließlich bis zum frühen Abend und als wir zurückkamen, hatte Frank schon damit begonnen, den See mit dem Echolot nach geeigneten Angelstellen auszuloten. Da wir keine Lust mehr hatten unser Tackle aufzubauen, beschränkten wir uns für diesen Abend darauf, Frank beim Loten zu helfen! So sehr wir uns auch Stunde um Stunde bemühten, ein geeigneter "Hot-Spot" war leider nicht zu finden, bis auf eine kleine, etwa 1 Meter abfallende Kante ca. 30 m draußen. Der Grund des Sees war glatt wie eine Badewanne. Die angebliche Rinne eines damaligen Flußbettes, welche in ca. 400 m Entfernung existieren sollte, konnten wir nicht finden, obwohl wir schon fast bis zum gegenüberliegenden Ufer gelotet hatten. Letztendlich setzten wir dann Marker an der o.g. Kante und irgendwo mittendrin, ca. 150 - 180 m weiter draußen, in 4 - 6 m Wassertiefe. Nachdem wir um jeden Marker ca. 1 Kg Boilies und ein paar Hände voll Partikel verteilt hatten, begann Frank mit der Angelei und wir fuhren zurück zu Andreas Kneipe um dort in einem Gästezimmer die Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen, mit allem Gerödel am Wasser angekommen, nahmen wir erst noch einmal unseren Angelplatz etwas genauer unter die Lupe. Uns fiel, wie schon am Vortag bei der ersten Erkundungstour, auf, daß der See unheimlich, vor allem die Uferpartien, stark bis schweinisch verdreckt waren. Die einheimischen Angler und Badegäste ließen ihren ganzen Unrat einfach ungeniert am See zurück. Um unsere Bivys aufstellen zu können, mußten wir uns zuerst einmal eine Stelle freiharken, ja ehrlich, es war wirklich so schlimm, wie hier beschrieben! Dann war da noch dieses andere Erlebnis mit dem benachbarten Angler. Seit mehreren Stunden am Wasser sitzend, stellte er offenbar den Weißfischen nach. Bis dahin tat sich aber reichlich wenig, bis auf einmal, sein Stückchen Holz in der Schnur, er angelte nämlich auf Grund, etwas in Bewegung kam und er einen wehementen Anhieb setzte. Voller Spannung erwarteten wir den Fisch, den er so aufgeregt gedrillt hatte und letztendlich ohne Kescher an Land heben konnte. Es war ein eher kleineres Rotauge und dies, jetzt kommen wir nämlich auf den Punkt, fiel ihm noch vom Haken und klatschte auf den Boden, wo es sich durch wildes Zappeln wieder Richtung Wasser bewegte. Der Angler, anscheinend von voller Panik ergriffen, ließ seine Rute fallen, stürzte mit einem Messer in seiner rechten Hand hinter dem flatternden Rotauge her, bekam es auch zu fassen und stach es dann sofort ab, als ob es der Verlust des Lebens für ihn geworden wäre, hätte das Rotauge doch noch das rettende Wasser erreicht! Dieser Anblick raubte mir einen Großteil meines bis dato noch vorhanden Optimismus, weil mir sofort diese Gedanken kamen, wie viele Karpfen denn in Vergangenheit einem solchen Meuchelmord zum Opfer gefallen sind! Frank übrigens, der ja schon die ganze Nacht gefischt hatte, konnte leider auch keinen positiven Erfolg vermelden, seine Bißanzeiger blieben die ganze Nacht über still. Er erzählte, daß er die ganze Nacht kein Auge zugemacht habe, da er andauernd Besuch von den einheimischen Anglern und von Spaziergängern hatte, die allesamt ungläubig auf das Tackle starrten und es einer genaueren Begutachtung unterzogen, zu welchem Zweck sei dahingestellt, ohne jemandem zu nahe treten zu wollen. Mit einem dieser einheimischen Angler, der gebrochen Deutsch sprach, kam Frank ins Gespräch. Er berichtete, daß die von uns ausgesuchte Stelle nicht gut für die Karpfenangelei sei, konnte oder wollte aber auch keine andere Stelle benennen. Ihn nach dem Karpfenbestand befragt, druckste er mehr oder weniger herum und erzählte dann etwas von großen Graskarpfen auf der anderen Seite des Sees. Eindringlicher danach befragt, stellte sich heraus, daß vor ein paar Jahren wohl mal 1 oder 2 "kleinere" Fische dort gefangen worden sind. Auch auf die Frage hin, ob der See denn von einem Angelverein oder sonst jemandem bewirtschaftet wird, konnte er nur mit den Achseln zucken. Letztendlich kamen wir zu dem Ergebnis, daß hier kein Mensch für die Fischhege und Pflege verantwortlich war, was sich bei der Menge an Anglern, die allesamt allerdings aber nichts fingen, nur negativ auf die Entwicklung eventuell vorhandener Karpfen auswirken konnte. Nach all diesen negativen Eindrücken und nach langem Hin- und Her, beschlossen wir dann kurzerhand, unsere Zelte an diesem See abzubrechen und Polen zu verlassen um uns ein wenig in McPomm umzusehen! Dies allerdings ist eine andere Geschichte.............

Nachtrag:
Sollte dennoch mal jemand von Euch diesem See einen Besuch abstatten wollen, könnt Ihr mir gerne mailen. Meine E-mail-Adresse lautet: Schokoduo9@aol.com.

Dafür schon mal ein paar Allgemeininofs:
-Das Angeln ist mit zwei Ruten erlaubt.
-Die Erlaubnisscheine bekommt ihr in der Stadt Zywiecz, sie kosten ca. 5,-- DM pro Tag.
-Nachtangeln scheint erlaubt zu sein, es steht nämlich nirgendwo ein Verbot oder eine Angabe zur Angelzeit.
-Die Benutzung von Booten ohne Motor ist erlaubt.
-Die Benutzung von Echoloten scheint auch erlaubt zu sein, jedenfalls ist nichts gegenteiliges bekannt
-Das Aufstellen von Zelten scheint erlaubt zu sein, auch hier kann ich aber leider nichts genaues über Verbote sagen, weil keine genauen Infos zu bekommen sind, wahrscheinlich wird aber alles aufgrund Unkenntnis geduldet.

Ihr seht also schon, daß man da unten ziemlich auf sich alleine gestellt ist, weil dir keiner so recht weiterhelfen kann. Dies ist wohl damit zu begründen, daß eine derartige Form der Angelei, wie wir sie ausüben, bislang dort unten unbekannt geblieben ist. Wenn jetzt z.B. jemand nach Lesen des Berichtes anmerken möchte, daß eventuell ein Karpfenbestand sich aus natürlicher Fortpflanzung heraus entwickeln konnte, so muß ich ihn leider enttäuschen, denn dieser See hat zur Laichzeit keine durchweg warmen Wassertemperaturen zu bieten. Selbst bei unserem Trip im August konnten wir gerade mal eine Wassertemperatur von 18°C messen, und dies im Uferbereich. Abschließend gesagt hoffe ich, daß Euch der Bericht ein wenig gefallen hat und Ihr einen kleinen Einblick davon bekommen konntet, welche Schwierigkeiten einen vor Ort erwarten können, wenn Ihr nach Polen zum Fischen wollt und dann noch an einen See, der wahrscheinlich wirklich "jungfräulich" war, allerdings in jeglicher Beziehung, sprich fischleer! Von befreundeten Anglern, die schon des öfteren in Polen zum Karpfenfischen waren, habe ich auch viele positive Erfahrungen vernommen. Nur, diese Seen waren schon karpfenanglerisch erschlossen und es waren immer einheimische Karpfenangler vor Ort, die mit Rat und Tat zur Seite standen. Wer weiß, vielleicht in Zukunft mal wieder nach Polen, zum Karpfenfischen oder.............

Tight lines Michael alias "Schoko"

 

 

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