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Inturned Eye

Von Volker Book

Unsanft werde ich aus dem Schlaf gerissen - der Delkim meldet einen Run, den vierten in dieser Nacht. Raus aus dem Schlafsack, rann an die Rute. Der Anschlag sitzt, der Fisch nimmt Schnur von der Rolle, alles bestens. Langsam werde auch ich wach. Doch was ist das? Die Schnur wird schlaff! Nachdem ich das Rig eingeholt habe, zeigt sich die Bescherung. Schon wieder ein Aussteiger. Der 3. in dieser Nacht! Langsam beginne ich an mir zu zweifeln. Noch nie hatte ich so viele Fische durch Ausschlitzen des Hakens verloren, wie in den letzten Sessions. Das wechseln des Hakenmodells, das variieren der Vorfachlänge, kurzes Haar, langes Haar, Festblei oder ungestoppt, nichts brachte mir befriedigende Resultate ein. Der Rest der Nacht verlief zum Glück sehr ruhig, noch mehr Rückschläge hätte ich auch nicht mehr hinnehmen können.
Vor ähnlichen Situationen stand ich in der letzten Saison mehrere male. Es war schier zum Verzweifeln.


Die Idee!
Eine Lösung mußte her, und zwar sehr schnell. Die zu der Zeit in der Fachpresse oft erwähnten und diskutierten Bent-Hooks kamen nicht in Betracht. Hatte einer dieser Haken doch bei seinem ersten Einsatz am Twente-Kanal im Winter `92 einen Schuppi für sein Leben gezeichnet. Nach anfänglicher Einfallslosigkeit, reifte langsam eine Idee in meinem Kopf.

Das Rig sollte die folgenden Eigenschaften besitzen: Beim haken sollte es sich wie ein Bent-Hook verhalten, im Drill aber die Eigenschaften eines normalen Hakens besitzen, sich also fischfreundlich verhalten. Nach einigen Tagen des herumexperimentierens am Schreibtisch war ich mir sicher, einen Schritt weiter zu sein. Als Grundlage nahm ich die beiden von mir favorisierten Hakenmodelle: Den Drennan Boilie Hook, und den Drennan Specialist, beide in den Größen 4 und 6. Ich bog mit Hilfe einer kleinen Kombizange das Öhr nach innen. Knotete ich in dieser Position das Vorfachmaterial an, dazu ein standardmäßiges Haar und einen Boilie, so hatte ich beim Handtest den Dreheffekt eines Bent-Hooks. Beim fischen zeigte sich aber, daß der Haken gut im vorderen Bereich des Karpfenmauls saß, ich aber immer noch Aussteiger hatte, wenn auch bedeutend weniger. Anzumerken ist an dieser Stelle, daß es nicht zu den schweren Verletzungen kam, wie sie sonst des öfteren beim Bent-Hook Rig vorkamen. Dies führe ich darauf zurück, daß die von mir verwendeten Haken ein kompakteres Design haben, und die Biegung nicht mittig am Hakenschenkel, sondern zum Ende hin angebracht ist. Hierdurch ist der negative "Pflitzebogeneffekt", der meines Erachtens für die Verletzungen verantwortlich ist, ausgeschaltet. Um eine Erfahrung reicher, versuchte ich in den kommenden Tagen, daß Rig zu verbessern. Nach anfänglicher Ratlosigkeit und einer Menge Vorfachmaterial, kam mir am zweiten Abend die simple Idee, den gebogenen Haken durch einen Line-Aligner das richtige Finish zu geben. Durch den Line-Aligner konnte ich den Dreheffekt noch verstärken. Meine Hoffnung bestand nun darin, daß ich durch die Verwendung des Line-Aligners den Vorgang, bei dem sich der Fisch hakt, soweit optimieren konnte, daß ich im anschließenden Drill so gut wie keine Aussteiger mehr haben werde.

Die Lösung?
Den Beginn des kommenden Wochenende konnte ich kaum abwarten. Nach Feierabend kurz nach Hause, die Sachen packen, und ab ans Wasser! Ich lud meine Klamotten auf den Bedchairwagen, und zu meinem Glück war die von mir über die Woche gefütterte Stelle frei. Ich baute alles auf, und warf meine 3 Ruten auf die ca. 80m entfernte Sandbank. Noch ein paar Boilies mit dem Cobra hinterher und dann hieß es warten. Gegen 23.00 Uhr hörte ich einen Fisch auf meiner Stelle springen. Eine halbe Stunde später meldete der mittlere Delkim dann den ersten Run. Anschlag, der Fisch nahm Schnur von der Rolle, und die Schnur wurde nicht schlaff! Nach einem kurzen, aber heftigen Drill lag ein schöner Spiegler von 18 Pfund vor mir auf der Cypro. Der Fisch war mittig in der Unterlippe gehakt. Genauso, wie ich es mir Vorgestellt habe.
Die Delkims gaben diese Nacht noch dreimal ihr bestes. Alle Fische, sie wogen zwischen 15 und 27 Pfund, konnte ich sicher landen. Auch bei diesen Fischen faßte der Haken immer nach dem gleichen Schema: Mittig in der Unterlippe.
Eine Trefferrate von 100%, daß war nach all den Rückschlägen der letzten Zeit ein echter Lichtblick. Zwei Wochen später sollten die neuen Rigs erneut ihre Qualität unter Beweis stellen. Mein KAOS´93 Kollege Kuddel und ich wurden von unseren Mühlheimer Kollegen zu einem Trip an die Ruhr eingeladen. Wir bezogen unsere Stellen, und kurze Zeit später konnte ich meine beiden Ruten an der gefütterten Stelle plazieren. Beide waren mit 4er Boilie-Hooks mit Inturned Eye bestückt. Die eine Rute mit einem 18mm Sinker, die andere mit einem Schneemann (Floater/Sinker). Nach mäßigen Fängen in der ersten Nacht, fing ich am abend des zweiten Tages einen Spiegler von 28.200 Pfund. Dieser Fisch lieferte einen absolut harten und phantastischen Drill. Auch bei diesem Fisch saß der Haken mittig in der Unterlippe.
Bei allen weiteren Einsätzen hatte ich immer das gleiche Resultat. Nach 61 Runs in der ´97 Saison kann ich 55 auf der Haben Seite verbuchen. Drei Fische gingen durch Schnurbruch verloren, bei zwei Runs ging der Anschlag in Leere. Lediglich einen einzigen Fisch verlor ich durch Ausschlitzen des Hakens. Aus diesem Grund ist das Rig mittlerweile zu meinem Standartrig geworden.

Die Bauanleitung
Um das Rig herzustellen, benötigt man neben den sonst üblichen Teilen lediglich eine kleine Kombizange. Mit der Kombizange biegt man den Haken ca. 1,5 - 2 mm unterhalb des Öhrs vorsichtig um ca. 25°-30° nach innen. Wichtig ist hierbei, speziell bei den Drennan Boilie-Hooks, daß man den Haken nicht an der schon vorhandenen Biegestelle (Die Biegung 16° nach außen) biegt, sondern ein wenig zum Hakenbogen versetzt. Bei "normal" geformten Haken, wie z.B. den Drennan Specialist, spielt die Stelle an der die Kombizange angesetzt wird keine Rolle.Ein weiteres wichtiges Kriterium besteht darin, das Hakenöhr in einem Biegevorgang in die gewünschte Position zu bringen. Mehrmaliges ansetzen und biegen würde das Material an der Biegestelle ermüden lassen. Nun knüpft man das Vorfachmaterial an. Das Haar wird standardmäßig angebracht und mit 0,5mm Silicontube am Hakenschenkel fixiert. Die besten Hakeigenschaften haben sich ergeben, wenn das untere Ende des Tubes auf Höhe der Hakenspitze sitzt. Die Haarlänge sollte mindestens 5mm betragen, damit der Boilie die Drehbewegung des Haken nicht behindert. Nun wird noch vom anderen Ende des Vorfachs ein ca. 10mm langes Stück 1,5mm Silicontube in Line-Aligner Manier aufgezogen. Zum Schluß noch den Wirbel anknoten, und fertig ist das Rig.

Drennan Boilie Hook
Alle Haken

Floater, Sinker und andere Baits
Da sich das Rig von anderen Montagen lediglich durch das gebogene Öhr unterscheidet, läßt es sich wie eine ganz normale Standardmontage einsetzen. Alle in der Szene benutzten und veröffentlichten Rigs lassen sich kinderleicht modifizieren. Man sollte aber auf einige Details achten, die die Effektivität des Rigs noch erhöhen. Neben der oben schon erwähnten vergrößerten Länge des Haars und dem auf Höhe der Hakenspitze positionierten Fixierungstubes ist es besonders wichtig, ein weiches und flexibles Vorfachmaterial zu verwenden. Wenn es die Umstände zulassen, ist der Einsatz von kleinen Haken (4er-8er) ratsam.
Wenn Floater eingesetzt werden, spielt die Haarlänge eine wesentliche Rolle. Der Boilie sollte am besten 1,5 - 3 mm über dem Hakenbogen schweben, um die Drehbewegung des Hakens nicht zu beeinträchtigen.  

Sinker Setup Floater Setup

Kritik
Fast allen, denen ich von dieser Montage berichtet habe, reagierten gleich: "Am Haken rumbiegen? Das ist mir zu gefährlich! Der bricht doch bei extremer Belastung genau an dieser Stelle!" Ich muß zugeben, das ich während der Experimentierphase auch meine Bedenken hatte, denn speziell die Boilie-Hooks in Größe 2, und ein Modell der Firma Partrigde sind beim biegen gebrochen. Bei den anderen von mir getesteten Haken traten diese Probleme aber nicht auf. Auch der ´Türklinkentest´ zeigte, daß die Haken eher aufbiegen, als an der Biegestelle zu brechen. Auch am Wasser habe ich noch nie einen Fisch durch Hakenbruch verloren, und das obwohl einige Fische dem Gerät alles abverlangt haben. Zu Anfang hatte ich erst bedenken, ob ich die Idee und meine damit gemachten Erfahrungen wirklich veröffentlichen sollte. Ich fische dieses Rig nun aber schon die 2. Saison, und die Praxis hat gezeigt, daß die Haken in der unten aufgeführten Liste bei sorgfältiger Bearbeitung nicht brechen. Wären Probleme in Verbindung mit diesem Rig aufgetreten, so hätte ich als verantwortungsvoller Karpfenangler garantiert die Finger davon gelassen, geschweige denn veröffentlicht!

27 Pfünder

 

Liste der getesteten Haken:

Hakenmodell: Hakengröße: Besonderheiten:
Drennan Boilie-Hook 2-6 Keine Probleme bei den Größen
4 und 6. Größe 2 beim biegen öfters gebrochen.
Drennan Specialist 2-8 Keine
Mustad O´Shaugnessy 4 und 6 Keine
Gamakatsu 4 und 6 Keine
Partrigde Outbarb 4 und 6 Keine
Partrigde Dutch Special 4 und 6 Keine
Partrigde Record Breaker 4 und 6 Bricht beim biegen!

Schlußwort
Ich hoffe das ich einigen mit diesem Artikel helfen konnte, die Probleme mit "Aussteigern" zu beheben, oder euch zumindest einige Anregungen gegeben zu haben.
Solltet ihr das Rig einmal ausprobieren, oder euch einfach nur Gedanken darüber machen, dann teilt mir bitte eure damit gemachten Erfahrungen, Meinungen oder Ideen mit. Auch an Kritik und Verbesserungsvorschlägen bin ich interessiert.
Ihr könnt mir in diesem Falle unter folgenden Adressen mailen:
Volker.Book@t-online.de

 

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